Heiner, Ulla, Linda und Ferdinand sind nur auf dem Papier eine Familie. Mehr als der gemeinsame Nachname verbindet sie allerdings nicht.
Heiner ist mittlerweile über 70, emeritierter Biologie-Professor und vor allem damit beschäftigt, seine zunehmende Demenz vor seiner Ehefrau Ulla zu verbergen. Dieser ist Heiner schon seit langem nur ein Klotz am Bein. Glücklich war die Ehe der beiden ohnehin noch nie gewesen. Die ehemalige Kellnerin Ulla hat die Hochzeit mit dem wesentlich älteren Professor vor allem als Eintrittskarte in die besseren Kreise benutzt. Sexuelle Befriedigung sucht sie schon seit Jahren bei Männern, mit denen sie sich in anonymen Hotelzimmern verabredet.
Höchstens bissigen Spott, den sie in ihrer Kolumne bei einer Berliner Zeitung ausschüttet, hat Linda für ihre Eltern übrig. Glücklich ist auch sie nicht, eher eine verbitterte Zynikerin.
Ferdinand, das Nesthäkchen der Familie, treibt orientierungslos durchs Leben. Abwechslung, aber keine Erfüllung, findet er in ständig wechselnden Studiengängen und Frauengeschichten.
Und dann ist da noch Friederike, deren Tod ein Tabuthema in der Familie ist. Immerhin stimmen alle Familienmitglieder wenigstens darin überein...
Schonungslos entlarvt Harriet Köhler in ihrem Debütroman
Ostersonntag die nach außen hin gutbürgerlich wirkende Familie als eine Ansammlung von gescheiterten, unglücklichen Existenzen. Obwohl das manchmal hart an der Schmerzgrenze ist, gewinnt man als Leser die Protagonisten im Laufe des Buches zunehmend lieb.
Ostersonntag ist eine großartig geschriebene Familiengeschichte die - und hier darf man schon einmal von diesem abgedroschenen Begriff Gebrauch machen - unter die Haut geht. Unbedingt empfehlenswert.
Harriet Köhler
Ostersonntag
Kiepenheuer & Witsch 2007; € 17,90.
